Was ist mit uns Gitarristen los, dass wir immer auf der Suche nach
dem ultimativen Sound sind? Nie oder nur kurze Zeit zufrieden mit unserem Sound sind wir anscheinend dem Voodoo-Glauben mehr unterworfen als jede andere Musiker-Spezies. Die Gitarre muss aus diesem oder jenem Holz sein. Dieses wiederum muss seeeehr alt und natürlich lange gelagert sein. Wie ein guter Wein. Sonst klingt datt Dingens nich!!!!
Ja - und die Lackierung, wenn die nicht aus einer dünnen Schicht Nitrolack besteht, kann man wohl auch nicht viel erwarten. Der Tonkondensator in der Les Paul ist kein Bumble Bee? Nee, wie soll das Brett dann vernünftig klingen? Dann noch die Saiten, die Kabel, das Plektrum, der Amp, die Röhren, die Speaker (natürlich nur Alnico-Magneten!! - oder vielleicht doch . . .?) etc. Alles muss sorgfältig ausgesucht werden. Alles super wichtig!
Richtig!!!!!
Aber nicht in dem Maße, wie es uns immer von den Spezialisten vorgegaugelt wird. Klar - es ist natürlich ein Unterschied, ob ich eine Les Paul oder eine Strat spiele. Das sind zwei komplett unterschiedliche Konstruktionen. Ob du aber den Unterschied zwischen einem Swamp-Ash oder Alder-Body wirklich hören kannst, bezweifele ich stark. Du hörst den Unterschied zweier Gitarren. Ob der Unterschied aber an dem verwendeten Holz liegt oder eventuell doch an anderen Komponenten oder Eigenheiten der Gitarren, bleibt unklar. Ist auch irgendwie egal. Klingt, oder klingt nicht - darauf kommt es meiner Meinung nach an. Warum? - weiß der Geier.
Die lange Kette der Tonerzeugung stellt hier wahrscheinlich das Problem dar. Der Keyboarder klemmt sein Instrument einfach direkt ans Mischpult und hat immer seinen Sound. Der Schlagzeuger werkelt zwar auch ein bischen, aber wenn er die richtige Felle gefunden hat, ist er mit seinem Instrument auch schon grob durch (vorausgesetzt er hat ein vernünftiges Drumset mit von Elfenfeen mundgeblasenen Kesseln).
Nur der Gitarrist sorgt sich um des Holz seiner Gitarre, die Lackierung, die Potis, die Kondensatoren, die Tonabnehmer, die Schaltung der Pickups, die Saiten, die Kabel, die Effektgeräte, True-Bypass oder nicht, die Amps, die Vorstufenröhren, die Endstufenröhren, die Ausgangsübertrager, die Boxen, die Speaker. Am besten alles Vintage! Alt ist immer gut. Zumindest aber teuer. Das ist auch gut, wenn man es hat.
Warum aber auch nicht?
Das macht doch Spaß. Andere spielen mit der Eisenbahn im Hobbykeller. Wir basteln eben gerne an unserer Gitarrenanlage. Da ist nichts Verwerfliches dran. Man sollte sich aber dennoch eingestehen, dass wir diese Materie nicht wie gewünscht beherrschen können. Es bleibt eine ewige Suche. Der Weg ist das Ziel.
Dabei wird aber oft eine wichtige Variable gerne übersehen. Nämlich wir selbst. Der größte Teil des Sounds kommt aus den eigenen Fingern - oder eben auch nicht. Da kann man sich das Orignalequipment von Joe Blow hinstellen und man klingt trotzdem nicht so. Wenn aber Joe Blow unser "noch nicht ideales" Equipment spielt, klingt er immer noch wie Joe Blow. Nur irgendwie besser als wir. Warum? Weil er eben gut spielen kann. Die Suche nach dem perfekten Equipment ist meist nur eine Ausrede, nicht üben zu müssen. Dazu kommt man ja schließlich auch nicht mehr.
Nur Übung macht den Meister, nicht das Instrument. Mit einem guten Instrument klingt der Meister nur noch besser. Der Anfänger klingt mit der 1 Millionen-Euro-Strativinsky immer noch nach einem Anfänger.
Wer das Thema mal von der nüchternen Seite her betrachten möchte, der lese das:
Manfred Zollner - Die Physik der Elektrogitarre